In jeder sechsten deutschen Wohnung schimmelt es sichtbar. Doch die meisten Pilze blühen im Verborgenen. Bleiben sie lange unentdeckt, können sie Allergien auslösen und die Bewohner krank machen.
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Nicht immer ist die Sache so klar wie hier: Schimmel kann auch unter der Wandfarbe oder im Fußboden gedeihen. Der Pilz muss immer sofort entfernt werden
Burn-out. Daran dachte er zuerst. Hatte er überhaupt geschlafen? Wie Blei lastete die Müdigkeit auf ihm, wenn der Wecker morgens klingelte. Das Aufstehen fiel ihm schwer, er schleppte sich zur Dusche, ins Auto, zur Arbeit. Nichts schien zu helfen gegen dieses Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Kaffee, noch ein Kaffee, irgendwann wurde ihm nur noch schlecht davon. Wenn er sich doch nur konzentrieren könnte.
Johannes Teska* ist Medizintechniker, entwickelt Hightech für Krankenhäuser. Er muss bei der Sache sein. Doch nicht einmal an das, was seine Freundin am Vorabend am Telefon zu ihm gesagt hatte, erinnerte sich Teska am nächsten Morgen. Vielleicht war es einfach zu viel – der Job, das Pendeln in die andere Stadt zur gemeinsamen Wohnung. Burn-out, fühlte sich das so an?
An den Wochenenden, wenn er in der gemeinsamen Wohnung schlief, ging es ihm besser. So als befreite ihn der Ortswechsel von all dem Stress. Dabei mochte er seinen Job. Wenn Teska ehrlich war, fühlte er sich gar nicht gestresst – weder durch die Arbeit noch durch die langen Zugfahrten nach Hause.
Und dann fiel ihm dieser merkwürdige Geruch auf. Muffig, irgendwie nach Abwasser. Unter der Spüle in der offenen Küche fand er einen alten Lappen, pechschwarz, strotzend vor Schimmel. Er musste dahintergefallen sein, als ein Klempner vor einiger Zeit ein Rohr repariert hatte. Teska warf den Lappen weg.
Doch der Geruch blieb – und mit ihm die Abgeschlagenheit. Seit Wochen quälten ihn allergische Symptome. Die kannte er gut, er litt ohnehin an Heuschnupfen. Nur eigentlich nicht im November. Ob der Lappen "abgefärbt" hatte auf die Wand hinter der Spüle? War es möglich, dass Schimmel schuld an seinem Zustand war?
Luftdicht verschlossene Räume
Aspergillus, Cladosporium, Penicillium oder Stachybotrys – Schimmelpilze gibt es überall. Sie leben auf der Erde, auf Lebensmitteln, Tieren, sogar Menschen und ihre Sporen fliegen permanent durch die Luft. Man kann sie problemlos einatmen. Doch wenn sie sich in einem Innenraum stark vermehren, können sie krank machen.
In jeder vierten deutschen Wohnung gibt es Feuchteschäden. In jeder sechsten schimmelt es sichtbar. Das hat eine Umfrage des Wohnungsportals Immowelt ergeben. Experten gehen aber davon aus, dass die meisten Schäden gar nicht zu sehen sind. Die Dunkelziffer dürfte also weit höher liegen. In den luftdicht verschlossenen Neubauten wird zu wenig geheizt und viel zu selten gelüftet.
Hat sich der Schimmel einmal breitgemacht, kann er unzählige Symptome hervorrufen – von tränenden Augen über Asthma und Müdigkeit bis hin zu Infektionen der Atemwege. Doch die Anzeichen sind diffus und oft lässt sich der Befall nur mit verschiedenen Messmethoden aufspüren.
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"Die Anfragen wegen Schimmel haben sich in den letzten Jahren vervielfacht", sagt Olf Herbarth, Universitäts-Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Wie viele andere Experten sieht Herbarth das Problem auch in der Belüftung der Wohnräume. "Früher waren die Fenster undicht", erklärt er. "Da wurde die Raumluft zwei bis vier Mal täglich komplett ausgetauscht." Heute liege dieser Wert noch bei 0,01.
Ein Luftaustausch findet also eigentlich nicht mehr statt. Dabei schreibt auch die aktuelle DIN-Norm für den Wärmeschutz von Gebäuden einen "ausreichenden Luftwechsel" vor. Mindestens zur Hälfte soll die Raumluft nach dieser Verordnung pro Stunde ausgetauscht werden. "Tatsächlich lüften viele nur ein Mal täglich", sagt Klaus-Peter Böge, Gutachter für Schimmel und Wohngifte.
Doch wenn zu wenig Frischluft in die Räume gelangt, steigt die relative Luftfeuchtigkeit – und in feuchter Umgebung wachsen Pilze besonders gut. Auch wer zu wenig heizt, riskiert, dass sich Schimmel ausbreitet. In kalten Schlafräumen zum Beispiel kondensiert die warme Atemluft an den Wänden. "Deshalb findet man Schimmel oft hinter der Schlafzimmergardine oder dem Kleiderschrank", erklärt der Toxikologe Thomas Schupp von der Fachhochschule Münster.
Auch versteckte Wasserschäden und Baumängel führen häufig zu einem Schimmelpilzbefall. Sie bleiben oft monatelang unentdeckt. Erst wenn sich die Bewohner richtig krank fühlen, kommen sie auf die Idee, nach Schimmel zu suchen.
Der sogenannte Gießkannenschimmel Aspergillus bildet weißen, grünen, braunen, schwarzen, grauen oder gelben Pilzrasen. Fast alle der 350 Aspergillus-Arten können allergische Reaktionen hervorrufen. Außerdem können Aspergillen Giftstoffe absondern, die auf Lebensmitteln wie Obst oder Getreide gedeihen.
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Der sogenannte Gießkannenschimmel Aspergillus bildet weißen, grünen, braunen, schwarzen, grauen oder gelben Pilzrasen. Fast alle der 350 Aspergillus-Arten können allergische Reaktionen hervorrufen. Außerdem können Aspergillen Giftstoffe absondern, die auf Lebensmitteln wie Obst oder Getreide gedeihen.
"'Burn-out' kenne ich im Grunde schon seit 30 Jahren", sagt Böge. So lange begutachtet der gelernte Ingenieur bereits Schimmelschäden in Innenräumen. "Ich habe oft erlebt, dass Menschen ständig müde waren, sich zu nichts aufraffen konnten, am liebsten nur zu Hause blieben." Meistens habe er in deren Wohnungen Schimmel gefunden. "Als der weg war, ging es den Leuten schlagartig besser." Nicht unter Stress oder chronischer Erschöpfung, sondern unter dem Schimmel an ihren Wänden oder im Boden hatten diese Menschen gelitten.
So war es auch bei Johannes Teska. Der muffige Geruch, er kam aus der Wand hinter der Spüle. Da war Teska sicher. Nur zu sehen war dort nichts. Eine Gutachterin suchte zunächst nach Nässe, der häufigsten Ursache für einen Schimmelpilzbefall. Doch sie fand nichts. Erst eine genaue Untersuchung jener Wand hinter der Spüle ergab: Schimmel, großflächig, auf der gesamten Wand.
Für das bloße Auge war er nicht sichtbar, unter der Lupe hingegen gut zu erkennen. Ob er in der Wohnung bleiben könne, wollte der junge Mann wissen. Kein Problem, sagte die Gutachterin, eine Allergie sei zwar unangenehm, aber nicht gefährlich. Nur der Schimmel müsse beseitigt werden.
Schimmel kann Allergien auslösen, darüber sind sich Experten heute einig. Nach Pollen, Hausstaub und Tierhaaren gehören die Sporen, mit denen sich Schimmelpilze vermehren, zu den wichtigsten Allergenen in der Umwelt. Über 100.000 verschiedene Schimmelpilzarten leben weltweit, von etwa 100 weiß man sicher, dass sie allergen sind. Anfällig sind vor allem Menschen, die ohnehin an einer Allergie leiden.
Deswegen ist es oft schwer zu erkennen, ob tatsächlich der Schimmel die Symptome hervorruft. "Milben zum Beispiel fressen gern Schimmelpilze", erklärt Thomas Schupp, der Toxikologe. Bei einem Hausstauballergiker kann man also kaum unterscheiden, ob er auf die Milben oder den Schimmel reagiert.
Experimente an Mäusen haben allerdings gezeigt, dass auch die Schimmelsporen selbst asthmaähnliche Symptome hervorrufen können. Rund fünf Prozent der Deutschen leiden an einer Schimmelpilzallergie. Entwickeln kann sie auch jemand, der bisher keine Allergie gehabt hat.
Wir gehen davon aus, dass rund 85 Prozent der Schimmelschäden gar nicht zu sehen sind
Klaus-Peter Böge
Gutachter für Schimmel und Wohngifte
Zu den typischen Symptomen einer Schimmelpilzallergie gehören tränende Augen, eine laufende Nase und asthmatischer Husten. Ob man unter einer solchen Allergie leidet, zeigt ein Test. "Ärzte können die Sporen bestimmter Pilzarten bestellen und dann gezielt darauf testen", erklärt der Toxikologe Schupp – zum Beispiel mit dem sogenannten Prick-Test. Dabei wird die Haut auf dem Unterarm des Patienten eingeritzt und das Allergen direkt aufgetragen. Liegt eine Allergie vor, wird die Haut rot und schwillt an.
"Leider funktioniert der Prick-Test bei einem der häufigsten allergenen Schimmelpilze nicht", schränkt der Umweltmediziner Herbarth ein. Aspergillus versicolor lässt sich mit dem Prick-Test bisher nicht nachweisen. "Die meisten testen auf Aspergillus fumigatus. Dann ist der Test häufig negativ, denn dieser Pilz kommt in Innenräumen selten vor." Wer starke Symptome hat, sollte deshalb lieber einen Bluttest machen lassen. Dabei wird das Blut auf bestimmte Antikörper hin untersucht. So kann der Arzt sicher feststellen, ob jemand eine Allergie entwickelt hat.
Wie bei allen Allergien kommt es darauf an, sich dem Allergen dann nicht mehr auszusetzen. Das heißt, der Pilz muss entfernt werden, möglichst fachgerecht. "Bis zu einer Größe von 0,5 Quadratmetern kann man einen Schimmelpilz noch selbst entfernen", sagt Herbarth. Das Umweltbundesamt empfiehlt in seinem "Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden" solche kleinen Schimmelstellen auf glatten Oberflächen mit einem Haushaltsreiniger zu behandeln und die Stelle anschließend mit 80-prozentigem Alkohol zu desinfizieren.
"Auf keinen Fall darf man den Schimmel einfach mit Wandfarbe überpinseln", warnt der Mediziner. Denn damit entfernt man zwar kurzfristig den Geruch, der Schimmel aber breitet sich unter der Farbe weiter aus. Wer allergisch reagiert oder ein schwaches Immunsystem hat, sollte Schimmel grundsätzlich nicht selbst entfernen.
Gefährliche Infektionen
In Teskas Wohnung war eine Fläche von mehr als 0,5 Quadratmetern befallen. "In so einem Fall sollte lieber ein Fachmann ran", sagt Heinz-Jörn Moriske, Leiter der Beratungsstelle Umwelthygiene beim Umweltbundesamt. Teskas Vermieter ließ den Befall von einem spezialisierten Maler beseitigen und die Wand neu streichen. Der Schaden schien damit behoben, doch dem jungen Mann ging es nicht besser.
Kurz vor Weihnachten begann auf dem Weg zur Arbeit plötzlich sein Herz zu rasen, auf dem Laufband im Fitnessstudio hielt es der sportliche junge Mann kaum mehr zehn Minuten aus. Er hustete ständig und das schon seit Wochen. "Der Kontrast zwischen den Wochenenden zu Hause und der ersten Nacht in meiner Wohnung wurde immer krasser", erinnert er sich. Von Sonntag auf Montag schlief er am schlechtesten. Manchmal hustete er die ganze Nacht durch. Er zog sich eine Bronchitis zu, die er einfach nicht mehr loswurde.
Neben Allergien können Schimmelpilze auch Infekte auslösen. Allerdings kommt das eigentlich nur bei Menschen vor, deren Immunsystem geschwächt ist – zum Beispiel nach einer Organtransplantation oder während einer Krebsbehandlung. Besonders gefährlich ist die Aspergillose, eine Infektion mit dem Schimmelpilz Aspergillus, die tödlich enden kann.
Penicillium, den „Pinsel“-Schimmel, kennen viele als Produzenten des Antibiotikums Penicillin, das gegen bakterielle Infektionen
eingesetzt wird. Mit dem Schimmelpilz werden aber auch Edelschimmelkäse wie Camembert oder Roquefort hergestellt. Penicillium kann Allergien hervorrufen und sondert unter bestimmten Umständen Giftstoffe ab.
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Penicillium, den "Pinsel"-Schimmel, kennen viele als Produzenten des Antibiotikums Penicillin, das gegen bakterielle Infektionen eingesetzt wird. Mit dem Schimmelpilz werden aber auch Edelschimmelkäse wie Camembert oder Roquefort hergestellt. Penicillium kann Allergien hervorrufen und sondert unter bestimmten Umständen Giftstoffe ab.
Meistens befallen die Pilze die Lunge, manchmal auch das zentrale Nervensystem. Etwa 5000 Menschen sind in Deutschland derzeit pro Jahr von einer Schimmelpilzinfektion betroffen. Etwa die Hälfte stirbt daran. "Bei gesunden Menschen gibt es Schimmelpilzinfektionen im häuslichen Umfeld aber normalerweise nicht", sagt Herbarth, der Umweltmediziner.
Dass Johannes Teska ständig Atemwegsinfekte hatte, hing vermutlich trotzdem mit dem Pilz zusammen. "Schimmelpilze wirken auf drei verschiedene Arten auf unsere Gesundheit", erklärt Herbarth: Neben den Sporen sondern viele Pilze auch giftige Stoffe, sogenannte Mykotoxine ab, und sie geben flüchtige organische Verbindungen an die Umgebungsluft ab. Diese Stoffe reizen die Schleimhäute. "Sie durchbrechen gewissermaßen die Barriere zwischen dem, was sich außerhalb des Körpers befindet und dem Körper selbst."
Außerdem können Schimmelpilze das Immunsystem schwächen, fügt der Toxikolge Schupp an. Beides macht die Menschen anfälliger für Erkältungen und Atemwegsinfektionen.
Weil Teskas Symptome nicht nachließen, bestand der Medizintechniker darauf, dass weiter nach der eigentlichen Ursache des Schimmelbefalls gesucht wurde. Auch wenn nichts mehr zu sehen war; er war sicher, dass nach wie vor etwas in der Luft lag. "Wir Gutachter gehen davon aus, dass rund 85 Prozent der Schimmelschäden gar nicht zu sehen sind", sagt Klaus-Peter Böge.
Sie verstecken sich unter dem Boden, hinter Schränken, Spiegeln oder Tapeten. Oft sind es Baumängel, die hinter dem Befall stehen – nicht sachgemäß getrockneter Estrich, nicht fachgerecht angebrachte Dämmung, undichte Außenwände oder ein falsch verlegtes Wasserrohr. Im schlechten Raumklima vieler Häuser können sich die Pilze dann schnell vermehren.
Bei Teska war es ein abenteuerlich angebrachtes Abwasserrohr unter der Badewanne, das den Schaden verursacht hatte. Wenn der junge Mann duschte, liefen mehrere Liter Wasser in den Boden direkt neben einem Heizungsrohr. Die Wärme sorgte dafür, dass der Boden oberflächlich sofort wieder trocknete.
Gerade weil wir nicht wissen, welche Effekte sie genau auf den Menschen haben, sollten Schimmelpilze immer entfernt werden – möglichst bevor sie die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigen
Heinz-Jörn Moriske
Leiter der Beratungsstelle Umwelthygiene beim Umweltbundesamt
Doch in den tieferen Schichten sammelte sich das Wasser und bot gleich mehreren Schimmelpilzarten paradiesische Bedingungen. "Der Schimmel wuchs gewissermaßen aus dem Boden", sagt Teska – in einem Ausmaß, mit dem er selbst nicht gerechnet hatte. Monatelang war er den Ausgasungen des Pilzes ausgesetzt gewesen. Kein Einzelfall, warnt Schimmel-Experte Böge.
Herauszufinden, ob ein Raum betroffen ist, ist nämlich gar nicht so einfach: "Wenn kein Schimmel zu sehen ist, kommt meistens ein Sporenmessgerät zum Einsatz", erklärt er. Solche Geräte messen die Anzahl der Sporen in der Luft. Sie liegt normalerweise zwischen 300 Einheiten pro Kubikmeter im November und bis zu 3000 im August, wenn die meisten Schimmelpilze besonders viele Sporen abwerfen.
Hat sich ein Schimmelpilz in einem geschlossenen Raum breitgemacht, müssten deutlich mehr Sporen herumfliegen – jedenfalls theoretisch. "Allerdings sporolieren Pilze nicht immer gleich stark", sagt der Toxikologe Schupp. "Solche Messungen sind deshalb nicht immer aussagekräftig."
Um festzustellen, ob ein Schaden vorliegt, sollten deshalb mehrere Methoden zum Einsatz kommen, betont Böge. So lässt sich mithilfe einer MVOC-Messung auch nachweisen, ob flüchtige Stoffwechselprodukte, wie Schimmelpilze sie üblicherweise absondern, in der Raumluft vorhanden sind. MVOC, das steht für "microbial volatile organic compounds", also flüchtige organische Verbindungen, die ebenso auf die Gesundheit eines Menschen Einfluss nehmen können wie die Sporen.
Sind solche Ausgasungen oder Sporen nachweisbar, kommen heute auch Schimmelsuchhunde zum Einsatz. Sie lokalisieren den Pilz – zum Beispiel unter dem Fußboden, in einer Wand oder der Zimmerdecke. Dann weiß der Gutachter, wo er suchen muss und kann von den verdächtigen Stellen Proben nehmen und ins Labor schicken.
Die "Cleveland Babys"
In Teskas Wohnung fand die Gutachterin einen der gefürchtetsten Schimmelpilze überhaupt. In den USA kennt man Stachybotrys Chartarum als "Toxic Mold", den "Giftpilz". Stachybotrys fiel zum ersten Mal Anfang der 1930er-Jahre auf. Russische Bauern erzählten Geschichten von Pferden, die reihenweise dem "schwarzen Stroh" zum Opfer fielen.
Wie sich herausstellte, waren die Ballen feucht geworden und von einem schwarzen, schleimigen Schimmelpilz befallen. Tiere, die die Halme gefressen hatten, bekamen hohes Fieber, hatten entzündete Augen und starken Durchfall. Schließlich starben sie an Infekten und inneren Blutungen. Die Landwirte selbst klagten über Hautausschläge, Husten und blutigen Schnupfen.
In den 1990er-Jahren wurden mehrere Säuglinge in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio mit Lungenblutungen in eine Kinderklinik eingeliefert. Sie waren in ihren Häusern längere Zeit dem "Toxic Mold" ausgesetzt. Einige dieser "Cleveland Babys" starben – möglicherweise an Giftstoffen des Stachybotrys, die ihre Lungen befallen hatten. Abschließend beweisen konnte man das aber nicht.
Stachybotrys chartarum bildet einen schwarzen Schimmelrasen, hat eine schleimige Konsistenz und gedeiht auf feuchtem Untergrund. Findet man ihn in Innenräumen, deutet das auf Wasserschäden hin. Der Pilz sondert unter bestimmten Umständen gefährliche Giftstoffe, sogenannte Mykotoxine, ab.
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Stachybotrys chartarum bildet einen schwarzen Schimmelrasen, hat eine schleimige Konsistenz und gedeiht auf feuchtem Untergrund. Findet man ihn in Innenräumen, deutet das auf Wasserschäden hin. Der Pilz sondert unter bestimmten Umständen gefährliche Giftstoffe, sogenannte Mykotoxine, ab.
Obwohl die Fälle der toten Babys große mediale Wellen schlugen, ist die Studienlage zu Mykotoxinen dünn. Noch immer weiß man nicht, wie genau die Gifte wirken, wenn sie nicht gegessen, sondern "nur" eingeatmet werden. Ratten, die über drei Monate winzige Mengen der Toxine fraßen, wiesen nach kurzer Zeit schwere Schäden an den blutbildenden Organen auf, ihre Lungen und ihr Immunsystem wurden von den Giften angegriffen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Inhalationsstudie, bei der Ratten und Mäuse zwei Stunden lang Aflatoxinen, den Giftstoffen einiger Aspergillus-Arten, ausgesetzt wurden. Die Gifte griffen die Leberzellen der Tiere an und hemmten ebenfalls das Immunsystem. Und Mäuse, die ein Jahr lang täglich die Toxine einatmeten, erkrankten signifikant häufiger an lymphatischer Leukämie.
"Tierversuche lassen sich nicht einfach auf den Menschen übertragen", sagt der Toxikologe Schupp. Dass Mykotoxine gefährlich sind, wenn man sie über die Nahrung aufnimmt, sei aber unbestritten. "Ich gehe davon aus, dass sie auch krank machen können, wenn man sie einatmet." Dabei komme es natürlich immer auf die Menge an: "Die Dosis macht das Gift."
Toxinbildende Schimmelpilze stellen ein besonderes Risiko dar, bestätigt auch Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt. "Gerade weil wir nicht wissen, welche Effekte sie genau auf den Menschen haben, sollten Schimmelpilze immer entfernt werden – möglichst bevor sie die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigen."
Wenn Kleidung richtig befallen ist, weil sie über Wochen einem ausgasenden Stachybotrys ausgesetzt sind, dann kann man die wegwerfen
Klaus-Peter Böge
Gutachter für Schimmel und Wohngifte
In drei Tagen muss er noch einmal hin, in die Wohnung, die er am liebsten gar nicht mehr betreten würde. Johannes Teska war ausgezogen, als er wusste, welche Pilze sich in seinem Heim breitgemacht hatten. Es dauerte ein paar Wochen, dann ging es ihm deutlich besser. Heute hat er gar keine Symptome mehr. "Ich habe es unterschätzt", sagt er im Rückblick. Unnötig lange habe er sich dem Schimmel ausgesetzt, weil er einfach nicht glauben konnte, dass er der Grund für seinen Zustand war.
Nach seinem Auszug begann eine Gutachterschlacht um die notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Mittlerweile sind sich alle einig, doch die Wohnung ist seit Februar verschlossen. Das heißt auch, dass Teskas Möbel, seine Kleider, das gesamte Inventar seit gut einem Jahr dem Schimmel ausgesetzt sind.
"Als ich das letzte Mal da war, war alles befallen. Auf meinem Bett, dem Kleiderschrank, den Kommoden – überall schwarze Flecken", erzählt er. Und dass ihm niemand genau sagen könne, aus welchen Materialien man die Sporen und Toxine wirklich wieder rauskriegt. Glatte Oberflächen lassen sich reinigen, "aber wenn Kleidung richtig befallen ist, weil sie über Wochen einem ausgasenden Stachybotrys ausgesetzt sind, dann kann man die wegwerfen", sagt Klaus-Peter Böge, der Gutachter.
So will es auch Teska handhaben, obwohl er an manchen Stücken eigentlich hängt. "Ich werfe alles weg", sagt er. "Mich ekelt schon die Vorstellung, dass ich die Sachen überhaupt noch einmal anfassen muss."
Teskas neue Bleibe, ein möbliertes Zimmer in einem modernen Neubau, wirkt ein bisschen steril. Der Boden ist gefliest, die Wände gespachtelt, die Möbel glatt und weiß. "Ich wollte das so", sagt der junge Mann. "Ist vielleicht nicht so gemütlich, dafür kann sich Schimmel nicht so gut verstecken."
In einem Neubau gebe es zudem normalerweise keine undichten Stellen. Auch die Wahrscheinlichkeit für einen Rohrbruch ist geringer. Dafür muss Teska jetzt mehr lüften. "Macht nichts", sagt er. "Nach dem ganzen Schimmelgestank hab ich sowieso am liebsten frische Luft um mich herum."
*Name von der Redaktion geändert
http://www.welt.de/gesundheit/article147807051/So-krank-macht-uns-versteckter-Schimmel.html
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